Vermikulationen
Im Erdbachtunnel wurden 2013 sogenannte „Vermikulationen“ entdeckt und fotografiert. Vermikulationen sind sicherlich keine seltene Erscheinung innerhalb von Höhlen, aber ältere wie auch neuere Standardwerke der Speläologie geben zum Phänomen der Vermikulationen meist keine oder nur sehr wenig Antwort. Bis heute liegen die Gründe für die Entstehung von Vermikulationen zum Teil im Dunkel. Die SAH beschäftigt sich daher innerhalb einer Fachgruppe intensiver mit den Vorkommen dieser Gebilde im Herbstlabyrinth als auch in der Schwinde-C (Erdbachhöhlensystem).Definition:
Vermikulationen (von lat. vermiculus = das Würmchen, wurmartig) sind dünne, unregelmäßige und diskontinuierliche Ablagerungen von nichtzusammenhängendem Material, die üblicherweise an den Höhlenwänden und an Außenflächen anzutreffen sind und haben meist nur einen Umfang von wenigen Zentimetern. [BINI 1978]. Die Bildung von Vermikulationen wird allgemein auf Materialtransport durch Luft, Feuchte von Gesteinswänden oder Wasser angenommen.
Diverse Thesen zur Bildung von Vermikulationen
Die erste Erwähnung von Vermikulationen in einer Höhle stammt vermutlich von keinem geringeren als dem bekannten franz. Höhlenforscher E.A. MARTEL, der diese Ablagerungen aus der Höhle Grand Aven de Canjuers bereits im Jahre 1906 beschreibt. Danach ist es eher lange still um das Thema. Erst RENAULT (1952) befasst sich vermehrt damit und sieht Vermikulationen als Beläge aus Residualton auf Gesteinsoberflächen in einer Höhle an, durch die die Gebirgsfeuchtigkeit hindurchsickert; BÖGLI (1978) erachtet dies allerdings als weniger wahrscheinlich. BARR (1957) verneint sogar den gleichen Ursprung von wurmartigen Vermikulationen, da er sie auch aus nassen Höhlen kennt, wo sich solche Bildungen (mit einer Größe von 5-10mm in der Ausdehnung) seiner Meinung nach während der vollständigen Überflutung gebildet haben, da sie die gleiche Zusammensetzung wie die Höhlensedimente aufwiesen. Unsere Forschungsgruppe hält diese These von BARR (der übrigens auch die Möglichkeit einer biogenen Komponente als Bildungsursache vermutet) für sehr wahrscheinlich, da aus eigener Anschauung über die letzten Jahre Vermikulationen im sogenannten „Erdbachtunnel“ im Herbstlabyrinth beprobt (auch das Sediment der Umgebung), geochemisch untersucht und langzeitlich beobachtet wurden. Der Höhlengang wird regelmässig über etwa 1,8km Länge fast vollständig überflutet. Im Erdbachtunnel treten deshalb die Vermikualtionen über die gesamte Ganglänge sehr großflächig in allen Varianten auf, die PARANZAN (1960, 1963) bildlich klassifiziert hat.
MONTORIOL-POUS (1958) beschreibt Vermikulationen aus einer spanischen Höhle, wobei er erstmals ein dreiphasiges Bildungssystem beschreibt, welches PARENZAN später erweitert hat. Es wird hier vor allem nach dem Aussehen in punktförmige und wurmförmige Vermikulationen unterschieden. Erst BINI (1978) stellt die bis dahin gängigsten Bildungstheorien vor und hinterfragt sie wissenschaftlich. MUCKE (1982) erwähnt Vermikulationen in Zusammenhang mit Mücken, wobei die dort beschriebene Art bis heute noch nicht innerhalb einer Höhle nachgewiesen wurde [persönliche Nachricht ZAENKER, 2014]. Mitgliedern der SAH sind aber diverse Höhlen bekannt, wo Vermikulationen und auch Mücken direkt nebeneinander vorkommen. Interessant ist hier ein Bericht von JONES et al. (2008), in welchem bereits der Begriff „Biovermikulation“ im Zusammenhang mit „Nematoden“, welche als Sedimentfänger bekannt sind, erläutert wird.
PARENZAN unterscheidet zwei Gruppen von Vermikulationen
Fleckenartige Bildungen:
1: punktförmige
2: plattige
3: blasenförmige
4: unregelmäßig ellipsenförmige oder gestreckte
Wurmförmige, große Bildungen:
5: leopardenfellartig
6: tigerfellartige
7: hieroglyphenartige
8: dentritenartige
HILL (1986) zeigt Vermikulationen aus einer Höhle in Italien auf, die auf weichem bzw. verwittertem Höhlengestein dunkelbraun und brüchig gebildet sind und wo diese Verwitterungsstücke zu Boden fallen und Lagen von dunklem Silt bilden bzw. auch am Boden Vermikulationen zu sehen sind. Mitgliedern der SAH sind solche „Bodenvermikulationen“ auch auf Lehmflächen der Lurgrotte in Semriach in österreich, wie auch aus dem Hölloch in der Schweiz bekannt. SCHABDACH (1989) machte eigene Laborexperimente (ähnlich denen von PARENZAN 1960) und begründet die Entstehung wie BÖGLI bzw. im Zusammenhang mit dem Grenzflächenphänomen. Ähnliche Phänomene kennen sicherlich die meisten Leser von Ablagerungen (von z.B. Rapsblütenstaub) auf ihrem Auto oder Gartentisch und dies vor allem im Zusammenhang mit Feuchtigkeit, wo sich ähnliche Strukturen wie bei Vermikulationen bilden können. GRUMBEIN et al (2003) beschreiben Vermikulationen auch als „Biofilm“ und CAMASSA & FEBBRORIELLO (2003) im Zusammenhang mit Analysen, die bestimmte Pilzarten (meist Geotrichum) an Vermikulationen nachweisen. Die Laborversuche von Letzteren verweisen auf wurmartige Vermikulationen im Zusammenhang mit Pilzen. BECKER (2006) beschreibt die Bildung eher klassisch als Ausflockung von Schwebstoffen in einem austrocknenden Flüssigkeitsfilm. Somit kann jedes feinkörnige Material Bestandteil einer Vermikulation sein und die Vermikulationsform hängt stark vom Verhältnis Wasser/Schwebstoff ab. BECKER beschreibt hier eine kolloidähnliche Suspension (siehe auch SCHABDACH 1989) als Ursache. Zusammenfassend stellt BECKER für die Schrattenhöhle fest, dass die Vermikulationen dort aus anderswo entstandenen Mineralkörnern bestehen. Er hält hier den Lufttransport für sehr wahrscheinlich, kann sich generell bei anderen Höhlen aber auch den Transport durch Wasser und Ablagerungen bei schnell fallenden Überflutungsbereichen vorstellen. Im Falle des Erdbachtunnels im Herbstlabyrinth sind allerdings auch langsam fallende Wasserstände (> eine Woche) bekannt. JONES et al (2008) weisen einen hohen organischen Kohlenstoffgehalt (25%) in einer italienischen Höhle (Frassassi-Höhlensystem) nach und benennen sogenannte „Biovermikulationen“. Auch NOVAKOVA (2009) weist verschiedene Pilzarten innerhalb von Vermikulationen der Domica Höhle im slowakischen Karst nach. Interessant sind hier die von BECKER (2006) beschrieben TOC-Werte (total organic carbonat) die auf Leben hinweisen. Im Erdbachtunnel waren z.B. die TOC-Werte bei etwa dreifach kleineren Vermikulationen allerdings etwa dreifach erhöht, also je kleiner die Vermikulation desto höher der TOC-Gehalt im Verhältnis zur Masse der Vermikulation! MERINO et al (2014) berichten sogar von Vermikulationen, die unter einem Überzug von Mondmilch in einer Höhle auf Mallorca (Cova des Pas de Vallgornera) vorhanden sind. Interessant sind auch die recht mathematischen Theorien zu biologischen Musterbildungen durch zelluläre Automaten bzw. Mustern bei Bakterienzüchtungen, die denen von Vermikulationen doch sehr ähnlich erscheinen (sogenannte „bioverms“; BOSTON 2013,). Für BOSTEN sind alle Arten von Vermikulationen als Biovermikulationen zu benennen (persönliche Mitteilung 2014).
Ausblick
Diverse Probenentnahme von Vermikulationen im Erdbachtunnel als auch der Schwinde-C wurden bereits unternommen, um diese näher untersuchen zu können. Alle 8 Arten an Vermikulationen, die sowohl durch Materialtransport aus der Luft oder auch durch Wasser bei zeitweisem Überflutungszustand entstanden sein können, konnten im Erdbachtunnel nachgewiesen werden. Evtl. brauchte es auch nur eine Art „Initialzündung“ zu deren Bildung, da eingehendere Untersuchungen in der Schwinde C zeigten, dass zumindest die Vermikulationen dort zum größten Teil aus Kalk selbst bestehen und Ton keiner bis nur sehr wenig vorhanden war, wobei Vermikulationen bekanntlich aus diversem Material gebildet werden können und die biogene Komponente nicht zu verachten ist. Dass diverse Standardwerke nichts bis wenig zu Vermikulationen zu berichten wissen, liegt sicherlich daran, dass die Berichte zu Vermikulationen in Höhlen, wo dieses Phänomen genauer untersucht wurde, oft abweichend sind. Zum einen kann das vermikulationsbildende Material wie auch die biogene Komponente von Höhle zu Höhle sicherlich total verschieden sein und zum anderen bilden Bakterien wie auch Grenzflächen oder durch Oberflächenspannung verursachter Materialtransport allesamt sehr ähnlich Muster. Momentan sind DNA-Untersuchungen an Vermikulationen im Herbstlabyrinth geplant. Unsere Erfahrungen zeigen, dass das Thema Vermikulationen recht komplex ist und man darf daher auch auf die Ergebnisse der noch andauernden Forschungen der SAH gespannt sein.